Interview mit der stellvertretenden Fraktionsvorsitzenden und schulpolitischen Sprecherin der FDP, Frau Anna von Treuenfels-Frowein (Oktober 2016):

 

 

Eine jüngst veröffentlichte „Datengestützte Analyse zur Lage der Stadtteilschulen in Hamburg“ des Instituts für Bildungsmonitoring und Qualitätsentwicklung (IfBQ) zeigt, wie schwer es diese Schulen tatsächlich haben. Hierzu hat das Parents Magazin mit Frau Anna von Treuenfels-Frowein das nachstehende Interview geführt.

 

Maik Findeisen (Parents Magazin):
Die Analyse zur Lage der Stadtteilschulen macht schwarz auf weiß deutlich, dass es dort sehr viele Schüler mit Förderbedarf gibt. Die Zahlen lesen sich zum Teil dramatisch. Wie bewerten Sie die Analyse?
 

Antwort (Anna von Treuenfels-Frowein):
Das Papier der Schulbehörde bestätigt die überproportionalen Herausforderungen, die die Stadtteilschulen leisten müssen. Trotz hervorragender Arbeit der Lehrer sind das Zustände, die kaum zu bewältigen sind. Ich frage: Wie lange will die Schulbehörde das alles noch intransparent halten und schönreden?

Maik Findeisen (Parents Magazin):
Fünf von 22 Schülern in den fünften Klassen der Stadtteilschulen kommen aus schwieriger Wohnlage, sechs erhalten eine Sprachförderung, drei haben ein sonderpädagogisches Fördergutachten. Wie kann geholfen werden? Welche schulpolitischen Veränderungen sind erforderlich?

Antwort (Anna von Treuenfels-Frowein):
Wir brauchen erstens mehr außendifferenzierten Unterricht an den Stadtteilschulen, um die unterschiedlichen Schüler besser individuell zu fördern. Zweitens müssen die Bildungspläne dringend überarbeitet werden, damit die Vermittlung von Kernkompetenzen wie Lesen, Schreiben und Rechnen wieder in den Mittelpunkt rückt. Und drittens muss der Schulsenator umgehend dafür sorgen, dass der fachfremd erteilte Unterricht ein Ende hat.

Maik Findeisen (Parents Magazin):
Das Image der Stadtteilschulen ist nicht gut. Immer mehr Eltern melden ihre Kinder an den Gymnasien an. Was macht Schulsenator Ties Rabe falsch?

Antwort (Anna von Treuenfels-Frowein):
Das Image der Stadtteilschulen wird sich nur verbessern, wenn Schulsenator Rabe die Herausforderungen endlich anpackt. Wir fordern etwa die Einführung von freiwilligen Eingangstests zur Selbstorientierung vor der Aufnahme in eine weiterführende Schule. Dieser Rahmen ist zudem für die Schulen eine gute Plattform, um ihre Profile zu präsentieren.

Maik Findeisen (Parents Magazin):
Woran liegt es, dass die Stadtteilschulen die Hauptlast der Inklusion tragen und eine ungleiche Verteilung der Flüchtlingskinder bemängelt wird?

Antwort (Anna von Treuenfels-Frowein):
Die ungleiche Verteilung der Flüchtlinge in dieser Stadt kritisiere ich schon lange. Da ist die Schulbehörde in der Verantwortung, flexiblere Lösungen zu finden. Im Hinblick auf die Inklusion gilt für mich: Die Tatsache, dass die Inklusion die Stadtteilschulen vor immense Herausforderungen stellt, zeigt doch, dass Rot-Grün hier einen politischen Schnellschuss abgegeben hat. Ich halte es für sinnvoll, speziell für Schüler mit Förderbedarfen in den Bereichen LSE temporäre Lerngruppen in den Stadtteilschulen zu schaffen. Dort könnten sie optimal gefördert werden, um anschließend schneller in den Regelunterricht integriert zu werden.

Maik Findeisen (Parents Magazin):
Die Schulleiter der Stadtteilschulen haben in ihrem Brandbrief an Schulsenator Ties Rabe die Sorge geäußert, die Stadtteilschulen können zu einer „Rest“-Schule werden. Teilen Sie diese Sorge?

Antwort (Anna von Treuenfels-Frowein):
Der Begriff „Rest-Schule“ ist zu pauschal und nicht richtig. Tatsache ist doch, dass die Stadtteilschulen deutlich mehr Personal-Ressourcen erhalten als die Gymnasien. Das zeigt: Es liegt nicht nur an der Höhe der Unterstützung, sondern auch an der Art, wie man diese einsetzt. Da muss Rabe dringend Änderungen herbeiführen. Entscheidend ist hier auch eine Verbesserung der Beratungsangebote vor dem Übergang auf die weiterführenden Schulen.

Maik Findeisen (Parents Magazin):
Woran liegt Ihrer Ansicht nach das eher schlechte Image der Stadtteilschulen?

Antwort (Anna von Treuenfels-Frowein):
Die Herausforderungen, die die Stadtteilschulen zu meistern haben, sind immens. Und die schulischen Leistungen der Schüler sind teilweise verheerend – das zeigen immer wieder Vergleichsarbeiten wie KERMIT. Daher muss man dort ansetzen und die Kernkompetenzen stärken.

Maik Findeisen (Parents Magazin):
Können Hamburgs Eltern ihre Kinder guten Gewissens auf die Stadtteilschule schicken?

Antwort (Anna von Treuenfels-Frowein):
Es gibt ja auch jetzt bereits tolle Stadtteilschulen. Aber für die anderen muss Schulsenator Rabe endlich etwas tun.

 

Maik Findeisen (Parents Magazin):

Liebe Frau Anna von Treuenfels-Frowein, vielen Dank für das Interview.

 

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Interview mit der stellvertretenden Fraktionsvorsitzenden und schulpolitischen Sprecherin der FDP, Frau Anna von Treuenfels-Frowein (Juni 2016):

 

 

Interview mit der stellvertretenden Fraktionsvorsitzenden und schulpolitischen Sprecherin der FDP

Frau Anna von Treuenfels-Frowein

(Juni 2016)

Maik Findeisen:

Guten Tag Frau von Treuenfels-Frowein, können Sie sich bitte kurz vorstellen.

 

Anna von Treuenfels-Frowein:

Guten Tag Herr Findeisen,

ich wurde 1962 geboren, habe in Hamburg Abitur gemacht und Jura studiert. Ich lebe mit meiner Familie in Altona.

 

Maik Findeisen:

Ihre Tätigkeit in der Partei und im Parlament:

 

Anna von Treuenfels-Frowein:

Ich bin seit 2011 Mitglied der Bürgerschaft und dort stellvertretende Vorsitzende der FDP-Fraktion. Außerdem bin ich schulpolitische sowie justiz- und datenschutzpolitische Sprecherin meiner Fraktion.

In der FDP bin ich seit 2009 und habe dort verschiedene Parteiämter inne gehabt.

 

Maik Findeisen:

Ihr außerparlamentarisches Engagement:

 

Anna von Treuenfels-Frowein:

2008 bin ich in die Volksinitiative „Wir wollen lernen!“ eingetreten, die sich gegen die Zwangseinführung der Primarschule in Hamburg wandte. Über dieses Engagement in der Schulpolitik bin ich dann auch in die FDP gekommen, die als einzige Partei die Schulreform abgelehnt hat.

 

Maik Findeisen:

Was macht Anna von Treuenfels-Frowein, wenn sie nicht in der Hamburgischen Bürgerschaft und für ihre Partei tätig ist?

 

Anna von Treuenfels-Frowein:

Am liebsten bin ich bei meiner Familie. Wenn ich einmal Zeit für mich habe, lese ich gerne oder höre Musik.

 

Maik Findeisen:

Was bewerten Sie in der Hamburger Schullandschaft positiv?

 

Anna von Treuenfels-Frowein:

Aktuell sehe ich in der Schulpolitik leider nur wenig positiv. Hervorzuheben ist aber das großartige Engagement, mit dem vor allem die Lehrer, aber auch andere pädagogische und nicht pädagogische Kräfte sowie viele Ehrenamtliche und Eltern unter widrigen Umständen tagtäglich eine wirklich tolle Arbeit leisten.

 

Maik Findeisen:

Wie bewerten Sie die Integration von Flüchtlingskindern in die Hamburger Schullandschaft? Was läuft gut, was muss besser werden?

 

 

Anna von Treuenfels-Frowein:

Ich finde es bewundernswert, dass unsere Gesellschaft es schafft, so viele Kinder und Jugendliche in unseren Schulen aufzunehmen und zu unterstützen. Leider hatte der rot-grüne Senat aber die Schulen lange Zeit weitgehend allein mit diesen Herausforderungen gelassen. So hatte ich im Februar 2016 herausgefunden, dass die Flüchtlingsklassen sehr ungleich verteilt sind: Gerade Schulen in sozial benachteiligten Stadtteilen haben überdurchschnittlich viele und andere Schulen, die Kapazitäten und den Willen haben, erfahren von Flüchtlingen fast nur aus der Zeitung. So kann Integration kaum gelingen. Ich freue mich daher, dass der Schulsenator im Mai endlich angekündigt hat, nachzusteuern – als ich das gefordert hatte, sprach er noch von „Unsinn“.

 

Maik Findeisen:

Wie bewerten Sie die Inklusion in der Hamburger Schullandschaft? Was läuft gut, was muss besser werden?

 

Anna von Treuenfels-Frowein:

Die Einführung der Inklusion in Hamburg mit der Brechstange ist gescheitert. Es gibt viel zu wenig Personal, aber auch räumliche, pädagogische und konzeptionelle Bedarfe sind zu wenig berücksichtigt. Damit werden oftmals die Regelschulen im Alltag überfordert. Gleichzeitig lässt Rot-Grün die seit Jahrzehnten etablierten und hoch spezialisierten Förderschulen ausbluten. Inklusion ist ein Recht, darf aber nicht zur Pflicht werden, indem die Förderschulen schließen.

 

Maik Findeisen:

Wie bewerten Sie das Thema „Schulbegleiter“ in der Hamburger Schullandschaft? Was läuft gut, was muss besser werden?

 

Anna von Treuenfels-Frowein:

Gute Schulbegleiter sind entscheidend für das Gelingen der Inklusion. Leider aber funktioniert dieses System nicht vernünftig: Die Antragsverfahren sind langwierig und kompliziert und oft genug gibt es aus Kostengründen nur unzureichend qualifizierte Kräfte. Außerdem wechseln die Schulbegleiter oft häufig, was die Abläufe im Alltag sehr erschwert.

 

Maik Findeisen:

Wie nehmen Sie aus Ihrer Sicht die Situation auf den Hamburger Schultoiletten wahr? Haben Sie eine Idee bzw. kennen Sie Schulen wo der Vandalismus minimiert und die Hygiene in gutem Zustand ist?

 

Anna von Treuenfels-Frowein:

Ich höre oft von furchtbaren Zuständen. Natürlich sieht die Situation an jeder Schule anders aus. Aber ich denke, dass die Schulbehörde sich auch mehr anstrengen muss, um die Hygiene auf Schultoiletten sicher zu stellen. Auf keinen Fall aber dürfen wir ein Zweiklassen-System einführen, bei dem Schüler für eine saubere Toilette bezahlen müssen.

 

 

Maik Findeisen:

Wie nehmen Sie die Drogensituation an den Hamburger Schulen wahr? Wie sollte aus Ihrer Sicht Drogenprävention erfolgen und wie sollte in Akutsituationen (Drogendeal, Drogeneinnahme) vorgegangen werden? 

 

Anna von Treuenfels-Frowein:

Drogenprävention muss viel früher ansetzen, als bislang üblich. Die Programme des Senats kommen bislang ja kaum in den Schulen an. Die Prävention ist übrigens effektiver, wenn sie nicht von Lehrern, sondern von Externen oder auch von ehemaligen Drogensüchtigen durchgeführt wird. In Akutsituationen sollte immer sofort die Polizei eingeschaltet werden. Denn oftmals stehen dahinter menschenverachtende kriminelle Banden.

 

Maik Findeisen:

Voraussichtlich im Herbst 2017 kann der Neubau der Irena-Sendler-Schule bezogen werden. In diesem Zusammenhang soll die traditionsreiche Aula abgerissen und durch eine erheblich kleinere Multifunktionsräumlichkeit (Aula, Essensplätze) „ersetzt“ werden. Wie bewerten Sie den Abriss der traditionsreichen Aula und den Ersatz?

 

Anna von Treuenfels-Frowein:

Grundsätzlich ist es ein großes Glück für die Irena-Sendler-Schule, einen vollständigen Neubau der gesamten Schule zu erhalten. Viele Schulen bekommen das nicht. Aber es muss in der konkreten Umsetzung immer auf die Umstände vor Ort geachtet werden: Wenn die Aula eine große Tradition hat, hätte die Schulbehörde versuchen müssen, diese in ein Neu- und Umbaukonzept zu integrieren. Leider aber ist so etwas häufig auch eine Kostenfrage.

 

Maik Findeisen:

Welche Note geben Sie Schulsenator Ties Rabe für seine Tätigkeit als Schulsenator? Was macht Ties Rabe schulpolitisch gut und was läuft falsch?

 

Anna von Treuenfels-Frowein:

Ganz ernsthaft: Mangelhaft (5). Gut schlägt sich Herr Rabe auf dem Feld der Vermarktung, er kann auch für ihn ungünstige Themen in der Presse positiv rüberbringen. Tatsächlich aber läuft unter der Oberfläche fast alles falsch: Über Flüchtlinge, Inklusion und Schulbau haben wir eben gesprochen. Dazu kommen noch konzeptionelle Dinge, etwa die Vermittlung von Medienkompetenz im Unterricht oder das Thema Hochbegabung. Da gibt es vieles nur auf dem Papier.

 

Maik Findeisen:

Was für eine Schulpolitik würde eine Schulsenatorin Anna von Treuenfels-Frowein machen?

 

Anna von Treuenfels-Frowein:

Ich würde fünf wesentliche Punkte ändern. Erstens: Die Schulen sollen sich weitgehend selbst organisieren, brauchen dafür aber endlich die Voraussetzungen wie etwa Verwaltungspersonal. Entscheidend bleibt dabei zweitens die Vermittlung von Kernkompetenzen wie Rechtschreibung und Mathematik im Unterricht. Drittens ist mehr Transparenz bei der Schulinspektion notwendig. Nicht, um eine Schule mit Problemen an den Pranger zu stellen, sondern um einen ehrlichen Wettbewerb zu erzielen. Und viertens muss gelten, dass die Inklusion nicht zur Pflicht wird und die Förderschulen wieder gestärkt werden. Schließlich würde ich fünftens Eingangstests für angehende Lehramtsstudenten einführen: Nur die Besten sollen unsere Kinder ausbilden.

 

Maik Findeisen:

Liebe Frau von Treuenfels-Frowein, danke für das Gespräch.